Inklusion in der handlungspädagogischen Waldorfschule

Inklusion ist ein wichtiger Bestandteil des pädagogischen Konzeptes unserer handlungspädagogischen Waldorfschule. Es schließt die Kinder mit und ohne Behinderung gleichermaßen ein und bringt sie im Alltag zusammen. Ausgrenzung soll hier nicht stattfinden, stattdessen werden menschliche Unterschiede als Normalzustand angenommen. Es geht also darum, die Unterschiedlichkeit der Menschen zu erleben und wertzuschätzen.

Inklusive Praxis

Für uns bedeutet Inklusion konkret: Förderschüler*innen und Regelschüler*innen lernen gemeinsam. Und gelingende Inklusion heißt: Jedes Kind soll jeden Tag mindestens einen Lernerfolg haben. Im inklusiven Unterricht soll jede*r nach seinen/ihren Fähigkeiten Beiträge leisten können und die Beiträge werden wertgeschätzt, einerlei, ob es sich um einfachere oder weniger einfache Aufgabenstellungen gehandelt hat. Wir wollen dabei mit sogenannten komplexen Aufgabenstellungen arbeiten. Um Kinder weder zu überfordern noch zu unterfordern, werden bei komplexen Aufgabenstellungen eine Vielfalt an Materialien, Sozialformen und Aufgabentypen in verschiedenen Schwierigkeitsstufen zusammengetragen, aus denen das Kind unter Anleitung oder Begleitung der Lehrenden das Passende auswählt. Aus mehreren Lern-Bausteinen entsteht so das individuelle Lernen.

So kann etwa im heimatkundlichen Unterricht die Stadt Karben als Themenfeld bearbeitet werden. Die Lehrer*innen bereiten dafür als Materialien Bilder, Gegenstände, Geschichten, Ortsbegehungen, Expertenbesuche, Lese-Texte und Bücher vor, die mit der Stadt zu tun haben; Dann wird je nach sozialer Reife in Einzel-, Partner, Gruppenarbeit gearbeitet; die Kinder erhalten dabei verschiedene Aufgabentypen, wie ein Bild malen, ein Produkt herstellen, eine Geschichte nacherzählen, ein Themenheft anlegen, oder Stationenaufgaben, sodass sich alle Kinder zum Lernen herausgefordert sehen können.

Das soziale Verhalten fördern

Wir wissen aus der systemischen Theorie: ein Kind ist nicht sein Verhalten. Um ein Beispiel zu geben: Paul ist kein ”Störer“, sondern Paul hat (heute) die Lerngruppe beim Arbeiten gestört. Ein die Lerngruppe störendes Verhalten eines Kindes weist uns nur darauf hin, dass andere Bedürfnisse des Kindes nicht erfüllt sind, oder dass das umgebende ”System“ (also wir als Schule und Elternhaus) noch nicht störungsfrei ist. Ein Kind wird dann bereitwillig in der Schule mitarbeiten, wenn – die im Vordergrund stehenden Bedürfnisse befriedigt oder zumindest angenommen wurden – es sich die Aufgabe auch zutraut. Aus dieser Erkenntnis erwächst für die Lehrenden eine Haltung der Wertschätzung – auch der fordernden Kinder, und wir gestalten die Beziehung zum Kind wirklich. Wir erkennen, wo ihm etwas fehlt, und können dann geeignete Maßnahmen finden. Wenn genügend Vertrauen aufgebaut wurde, wird das Kind auch gerne mitarbeiten.

Ebenso wollen wir das soziale Verhalten der Kinder untereinander von Anfang an im Blick haben, sodass kein Kind mit Angst vor Ausgrenzung in die Schule gehen muss.

Das multiprofessionelle Team

In der inklusiven Pädagogik ist eine besondere Teamarbeit gefragt, die der multiprofessionellen Teams. Wir wollen bei Schwierigkeiten die angemessenen Maßnahmen finden und im Dreieck Eltern-Schüler-Lehrer eine vertrauensvolle Kommunikation etablieren. Dazu sitzen Lehrer*innen, Förderlehrer*innen, und bei Bedarf externe Experten*innen und Leitungsmitglieder regelmäßig an einem Tisch und tauschen sich methodisch über das Kind aus. Wir fragen dann: Welches Verhalten zeigt ein Kind, das in seinem Lernen nicht vorankommt? Welche Bedürfnisse sind vielleicht nicht erfüllt? Welche Ressourcen hat es und welche Maßnahmen wollen wir in die Wege leiten? Wer ist verantwortlich für die Umsetzung der Maßnahme: Lehrer*in, der/die Schüler*in selbst, die Eltern?

Wir alle bringen unsere eigene Frage mit beim Thema Inklusion. Eltern fragen sich oft: bekommt mein Kind genug Aufmerksamkeit, genug ”Futter“? Lehrer*innen fragen sich: Wie leiste ich den Spagat, die so unterschiedlichen Lernbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler zu erfüllen. Kinder fragen sich am Anfang aber vor allem: bin ich hier sicher, kann ich mich wohlfühlen?

Wir versuchen an der handlungspädagogischen Waldorfschule diese Perspektiven, besonders die der Kinder, immer präsent zu halten.

Bastian Stock