Frühjahr 2023

Erst wenn der volle Mond erwacht und so rund wie die Sonne lacht, kann es hier auf Erden wieder Ostern werden.

Wie kann man besser beschreiben wann wieder Ostern wird. In einer Ostergeschichte gelingt dies Christiane Kutik auf so wunderbare und bildhaft kindliche Weise, dass wir Erwachsene die Worte nur wirken lassen müssen. In manchen Kindergartengruppen wird daraus ein Puppenspiel und nach kurzer Zeit spielen und sprechen die Kinder es nach. Auch beobachten einige mit ihren Eltern am Abend den Mond, wie er immer voller wird. Bis er endlich voll und rund am Himmel steht.

Die Natur um uns herum verändert sich. Überall können wir im Garten und auf unseren Spaziergängen Frühblüher und Knospen an Bäumen und Sträuchern finden. Auch in den Gruppenräumen zeigen sich immer mehr Frühlingsboten. Blumenkinder und „Mutter Erde“ stehen auf den Jahreszeitentischen. Der Frühling zeigt sich in all seiner Pracht und wir nehmen ihn mit all unseren Sinnen auf.

Wir säen die Samen, die Samen so fein,
wir streuen sie sacht in die Erde hinein,
wir decken sie zu,
sie schlummern in Ruh.

H. Diestel

Gemeinsam mit den Kindern säen wir das Ostergras ein. Welche Freude, wenn schon nach wenigen Tagen die ersten Spitzen hervorschauen und sich nach und nach ein Grasteppich über die Schale ausbreitet. Manchmal hüpt auch ein Häschen hinein oder ein bunt bemaltes Ei. Es braucht nicht viel und doch wirkt in den Kindern das Erleben vom Wachsen und Werden nachhaltig. Aus einem winzigen Samenkorn kann ein Grashalm oder ein Baum entstehen. Wenn wir aufmerksam im Wald sind, finden wir jetzt im Frühjahr Keimlinge die aus den Kastanien oder Eicheln hervorschauen. Vielleicht pflanzen wir sie ein und beobachten was da heranwächst.

Der Frühling ist eine echte Auferstehung ein Stück Unsterblichkeit

Henry David Thoreau

Die Natur und unsere kleinen Angebote in den Gruppen vermitteln den Kindern die Botschaft des Osterfestes. Neues Leben aus dem Alten hervorgegangen, wächst und bringt Früchte im Materiellen und im Geistigen.

Hab` ein Beet im Garten klein,
hark` es fleißig über,
streu`die winz`gen Körnchen `rein,
decke Erde drüber.

Geht die liebe Sonne auf,
wärmt das Beet mit Strahlen.
Regentropfen fallen drauf,
keimen bald die Samen.

Da erwacht das Pflänzlein klein,
streckt die Wurzeln unter,
reckt das Hälmchen in die Höh´,
schaut hervor ganz munter.

Immer höher wächst es nun,
Sonnenstrahlen glühen,
bis die Knospen eines Tages
wundervoll erblühen. 

Der Frühling mit all den Höhepunkten endet nicht mit dem Osterfest. Das Blühen und Wachsen kommt so richtig in Fahrt. Bald stehen viele Bäume und Sträucher in voller Blüte und wir beobachten die fleißigen Bienen und Hummeln. Es gibt jeden Tag etwas Neues zu entdecken und zu bestaunen. Diese Gabe, immer wieder mit staunenden und neugierigen Kinderaugen die Welt zu erleben, wollen wir pflegen und hegen. Genauso wie die Planzen einer guten Pflege und Aufmerksamkeit bedürfen um zu wachsen, bedarf ein jedes Kind der Zuwendung und Betreuung.

Der Ostermond

Seit dem Frühlingsanfang waren die Tage endlich länger als die Nächte, aber draußen herrschte eisige Kälte. Das spürte auch das kleine Häschen im Walde. Eines Morgens, als es in seinem Moosbettchen erwachte, fror es so sehr, dass ihm das Fell am Leibe zitterte. Es sprang zur Mutter, die gerade dabei war, Farben anzurühren. «Mir ist so kalt», klagte das Hasenkind. «Wird es denn gar nicht wärmer?» «Warte noch ein Weilchen, bis es Ostern wird», sagte die Mutter. «Wann wird denn Ostern?» fragte das Häslein. Die Osterhasenmutter wusste:

«Erst wenn der volle Mond erwacht und so rund wie die Sonne lacht, kann es hier auf Erden
wieder Ostern werden. »

Der Osterhasenvater saß draußen unter einem dichten Busch. Er hatte eine kleine Feder und pinselte damit Eier an. Das Hasenkind hüpfte herbei und staunte: «Sind das schöne Eier! Warum malst du sie so bunt an «Für Ostern, dann werden sie für die Kinder versteckt.» «Oh, da möchte ich auch gerne mithelfen! Wann ist denn Ostern?» Der Vater antwortete:

«Erst wenn der volle Mond erwacht und so rund wie die Sonne lacht, kann es hier auf Erden
wieder Ostern werden. »

Das Häschen hatte schon manchmal den Mond gesehen, wenn es abends mit den Eltern zur Waldlichtung hoppeln durfte, aber es hatte niemals bemerkt, dass er nicht immer gleich aussah. Es wollte gleich aus dem Dickicht heraushupfen, um nach dem Mond zu sehen. Freudig sprang es durch das feuchte braune Laub. Dabei schreckte es einen Igel auf, der noch nicht lange aus dem Winterschlaf erwacht war. «Ich friere so sehr», rief der kleine stachelige Geselle. «Weißt du nicht, wann es wärmer wird?» «Wenn Ostern kommt, dann wird es wärmer», sagte das Hasenkind. «Wann ist denn Ostern?»

«Erst wenn der volle Mond erwacht und so rund wie die Sonne lacht, kann es hier auf Erden
wieder Ostern werden,»

wusste das Häschen und hoppelte davon. Bald bemerkte es einen Kuckuck. Der hatte den ganzen Winter in einem warmen Lande verbracht. Nun saß er mit aufgeplustertem Federkleid auf einem Ast und zitterte: »Ich bin wohl zu früh heimgekehrt», piepste er, «weiß du nicht, wann es wärmer wird?» «Wenn Ostern kommt, dann wird es wärmer», erwiderte der kleine Hase. «Wann ist denn Ostern?»

«Erst wenn der volle Mond erwacht, und so rund wie die Sonne lacht, kann es hier auf Erden
wieder Ostern werden,»

rief das Häschen und hüpfte weiter bis zum Waldesrand. Dort sah es, wie die große runde Sonne gerade hinter den Bergen unterging. Es hoppelte hinaus auf die Wiese und suchte den Mond. Soviel es auch Ausschau halten mochte, es konnte ihn nicht entdecken. Erst als es dunkelte, war ein schmales silbernes Horn am Himmel zu erkennen. Da kam eine Nachteule herbeigeflogen «Was tust du denn hier?» wollte sie wissen.

«Müssen kleine Hasen nicht schon längst schlafen?» «Ich will sehen, wann der Mond rund wird», antwortete das Hasenkind. «Hu, hu», lachte der Nachtvogel, «heute Nacht wird er nicht rund und morgen auch nicht. Warum willst du das denn sehen?» « Weil ich wissen will, wann Ostern wird.» «Wann ist denn Ostern?»

«Erst wenn der volle Mond erwacht und so rund wie die Sonne lacht, kann es hier auf Erden
wieder Ostern werden,»

antwortete das Häschen. «Es dauert noch viele Tage bis der volle Mond scheint. Jeden Abend nimmt er ein kleines Stückchen zu», wusste die Eule. Das Hasenkind bedankte sich und kehrte nach Hause zurück. An den nächsten Abenden kam es wieder zur selben Stelle, um zum Himmel zu sehen. Es bemerkte, dass die Eule recht hatte. Von Mal zu Mal leuchtete der Mond dicker am Himmel, bis er eines Abends ganz rund war. Da sprang das Häschen fröhlich nach Hause und rief: «Heute scheint der Mond so rund wie die Sonne! Wird nun Ostern sein?» «Ja», sagte der Hasenvater, «auch die Menschenkinder haben schon lange gewartet. Sie haben viele Nester gebaut. Du darfst uns helfen, die Eier zu verstecken.

Aus „Das Jahreszeitenbuch“ von Christiane Kutik. Vom Verlag Freies Geistesleben.